BGH-Urteil zur Kündbarkeit von Nutzungsverträgen für Windkraftanlagen

Knüpfen die Parteien eines Mietvertrags den Beginn einer vereinbarten festen Vertragslaufzeit an den Eintritt eines bestimmten Ereignisses, hängt die Beurteilung, ob in der Schwebezeit ein befristetes Mietverhältnis vorliegt, maßgeblich davon ab, welche rechtliche Bedeutung nach den Vorstellungen der Vertragsparteien dieser Vertragsgestaltung zukommen soll (amtlicher Leitsatz). […]

Sachverhalt

Im vom BGH entschiedenen Fall (Az. XII ZR 76/24) hatte eine Betreiberin von Windenergieanlagen Ende 2017 mit einem Landwirt einen Nutzungsvertrag über eine ihm gehörende Fläche in Sachsen-Anhalt geschlossen. Der Vertrag sah eine Laufzeit von 20 Jahren vor, beginnend ab der Inbetriebnahme der letzten geplanten Anlage im Windpark. Der Landwirt sollte dafür eine jährliche Nutzungsentschädigung erhalten. Das Grundstück musste laut Vertrag erst "mit Baubeginn" zur Verfügung gestellt werden. Beiden Seiten wurde ein Rücktrittsrecht eingeräumt, falls nicht binnen fünf Jahren die notwendige immissionsschutzrechtliche Genehmigung vorlag.

Nachdem sich das Genehmigungsverfahren über mehrere Jahre hingezogen hatte, ohne dass die immissionsschutzrechtliche Genehmigung erteilt und mit dem Bau begonnen worden war, kündigte der Landwirt im Februar 2022 den Nutzungsvertrag ordentlich fristgemäß. Er konnte zwar seine Fläche uneingeschränkt bewirtschaften, erhielt aber entgegen seiner Vorstellung bei Vertragsschluss noch kein Nutzungsentgelt. Die Betreiberin akzeptierte diese Kündigung nicht und klagte gegen den Landwirt auf Abgabe notarieller Erklärungen zur Eintragung von Dienstbarkeiten und Baulasten zu ihren Gunsten.

Entscheidungsgründe des BGH

Der BGH hat in seinem Urteil vom 12. März 2025 (Az. XII ZR 76/24) bestätigt, dass Nutzungsverträge für Windenergieanlagen rechtlich wie Mietverträge zu behandeln sind und die mietrechtlichen Vorschriften des BGB Anwendung finden.

Nach den vertraglichen Regelungen sollte die feste Laufzeit von 20 Jahren erst mit Inbetriebnahme der letzten Anlage beginnen. Nach Ansicht des BGH stellt dies eine aufschiebende Bedingung dar, weil bei Vertragsschluss noch keine Genehmigung für die geplanten Windkraftanlagen erteilt war und damit nicht nur offen war, wann die Inbetriebnahme erfolgt, sondern auch, ob sie überhaupt stattfinden wird. Daher war der Vertrag zwar bindend, die feste Mietzeit von 20 Jahren hatte aber noch nicht zu laufen begonnen, sodass die Mietzeit (noch) unbestimmt war.

Der BGH stellte fest, dass der Landwirt den Vertrag in dieser Phase nicht wirksam ordentlich kündigen konnte. Das Gericht hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass das Recht zur ordentlichen Kündigung für die Zeit vor Baubeginn ausgeschlossen sei. Zwar hatten die Parteien einen solchen Kündigungsausschluss nicht ausdrücklich vereinbart, er ergab sich aber nach Ansicht der Richter konkludent aus dem Vertrag:

Im Vertrag war nur das Recht zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund ausdrücklich geregelt, was dafür spricht, dass ein Recht zur ordentlichen Kündigung nicht bestehen sollte.

Die vertragliche Regelung zum Rücktrittsrecht würde ins Leere laufen, wenn der Grundstückseigentümer aus dem Vertrag vorher ohnehin jederzeit mit ordentlicher Kündigungsfrist aussteigen könnte.

Der Windparkbetreiber hat ein erkennbares Interesse an einem Ausschluss der ordentlichen Kündigung, da er vor Einleitung teurer und langwieriger Genehmigungsverfahren die benötigten Grundstücke langfristig sichern muss.

Der BGH sah in diesem konkludenten Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts keine unangemessene Benachteiligung des Landwirts. Sein Interesse sei durch das vertraglich vereinbarte Rücktrittsrecht hinreichend geschützt, das ihn vor zu langer vertraglicher Bindung schütze. Zudem könne er sein Grundstück ohne Einschränkung trotz des bestehenden Nutzungsvertrags zumindest bis zum Baubeginn uneingeschränkt weiter nutzen und bewirtschaften, gegebenenfalls auch verkaufen.

Demgegenüber wäre die Belastung des Betreibers im Falle der Einräumung eines ordentlichen Kündigungsrechts zugunsten des Grundstückseigentümers ungleich größer, weil ihm die nötige Planungssicherheit genommen würde.

Fazit

Die Entscheidung des BGH hat weitreichende Folgen, vor allem für Projektentwickler im Bereich erneuerbarer Energien. Sie erhalten größere Planungs- und Investitionssicherheit, weil sie sich Flächen langfristig vertraglich sichern können (und müssen), ohne dass Eigentümer kurzfristig wieder abspringen können. Dies gilt zumindest dann, wenn Grundstückseigentümer auf der anderen Seite nicht rechtlos gestellt werden, sondern ihnen wie im konkreten Fall ein klar definiertes Rücktrittsrecht eingeräumt wird.

Das Urteil bestätigt, dass die für den Ausbau erneuerbarer Energien erforderliche langfristige Planungs- und Investitionssicherheit vertraglich abgesichert werden kann, ohne dass dadurch die Grundstückseigentümer unangemessen benachteiligt werden. Voraussetzung ist, dass die Verträge ausgewogen gestaltet sind und für den Fall des Scheiterns des Vorhabens zugunsten des Grundstückseigentümers faire Ausstiegsklauseln, z.B. ein entsprechendes Rücktrittsrecht, enthalten.

Für die Praxis bedeutet dies, dass bei der Gestaltung von Nutzungsverträgen für Windenergieanlagen besonderes Augenmerk auf die Formulierung der Kündigungsrechte gelegt werden sollte. Eine sorgfältige Vertragsgestaltung, die die Interessen beider Seiten angemessen berücksichtigt, ist entscheidend, um spätere Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.

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